Zehnt – der Steuerblog

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Kein Pfändungsschutz bei der Kontoleihe

Mit seiner jüngst am 21.3.2024 veröffentlichten Entscheidung bringt der BFH (vom 21.11.2023 VII R 11/20) das – in der Praxis oftmals übersehende – Problem der Kontoleihe in Erinnerung – und verschärft abermals seine Rechtsprechung (siehe hierzu auch unseren Beitrag vom 30.8.2019 Vorsicht vor der Kontenleihe! | Streck Mack Schwedhelm (steueranwalt.de)).


I. Hintergrund: Kontoleihe

Eine Kontoleihe liegt vor, wenn der Kontoinhaber einem Dritten sein Konto für den Geschäftsgebrauch zur Verfügung stellt. Die Motivationen sind vielfältig. Insbesondere wird auf Konten Dritter zurückgegriffen, wenn das eigene Konto durch eine Pfändung blockiert ist. Insoweit ist eine Teilnahme am Zahlungsverkehr grundsätzlich nur über ein Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO) möglich. Das Finanzamt nimmt den „Verleiher‟ des Kontos oftmals durch Duldungsbescheid (§ 191 Abs. 1 Satz 2 AO) in Anspruch. Es beruft sich auf die Vorschriften des Anfechtungsgesetzes (§§ 3, 4 AnfG) (ausführlich hierzu KAMPS/GRAVENHORST, Stbg 2023, 139). 


II. Entscheidung des BFH vom 21.11.2023

So lag es auch im Streitfall. Der Steuerpflichtige verfügte allein über unpfändbares Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO). Dies ließ er auf das Konto seiner Ehefrau auszahlen. Ein eigenes Konto hatte er nicht. Als das Finanzamt Abgabenschulden des Steuerpflichtigen bei diesem nicht beitreiben konnte, nahm es die Ehefrau durch Duldungsbescheid in Anspruch. Nach Auffassung des BFH erfolgte dies zu Recht.

Der BFH verweist auf eine Entscheidung des BVerfG (vom 29.5.2015 1 BvR 163/15, NJW 2015, 3083) zum zivilrechtlichen Vollstreckungsschutz und überträgt diese auf die Inanspruchnahme des Kontoinhabers durch Duldungsbescheid (§ 191 AO). 

Der Steuerpflichtige könne sich nicht darauf berufen, dass die auf das Konto der Ehefrau gezahlten Beträge unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegen (§ 850c ZPO). Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen reiche nur bis zur Auszahlung auf ein – eigenes oder drittes – Konto. Ab diesem Zeitpunkt greife kein Pfändungsschutz mehr. Unabhängig davon seien die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO – insbesondere die Pfändungsgrenze nach § 850c ZPO – im Verhältnis zwischen dem Finanzamt und der Kontoinhaberin nicht anwendbar. 


III. Würdigung

Die Entscheidung verdeutlicht abermals die Risiken der Kontoleihe (insbesondere zu strafrechtlichen Risiken, siehe PETERS/GRAVENHORST, Stbg 2022, 227 (228 ff.)). Ferner schränkt sie die Verteidigungsmöglichkeiten des Kontoinhabers erheblich ein. Bisher konnte sich der Kontoinhaber damit exkulpieren, die Zahlungen seien als unpfändbares Vermögen nicht anfechtbar (vgl. dazu HUBER, AnfG, 12. Aufl., 2021, § 1 Rz. 36 ff.; WEINLAND in Münchener Kommentar AnfG, 2. Aufl., 2022, § 1 Rz. 76). Diese Möglichkeit hat der BFH (vom 21.11.2023 VII R 11/20) nunmehr genommen. 

Schutz für das (pfändungsfreie) Arbeitseinkommen des Steuerpflichtigen bietet in diesen Fällen seit dem Jahr 2012 ein sog. Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO). Auf dieses (eigene) Konto des Steuerpflichtigen haben dessen Gläubiger keinen Zugriff. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Pfändungsschutzkontos klargestellt, dass Pfändungsschutz nur noch auf eigenen Konten des Schuldners gewährt werden kann und ein Pfändungsschutz für Gutschriften auf Konten Dritter nicht gegeben ist.

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Torben Gravenhorst
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