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Notwendige Angabe der ladungsfähigen Anschrift im FG-Verfahren

1. Bestätigung bisheriger Rechtsprechung 

Der BFH bestätigt mit Beschluss vom 9.4.2024 (IX B 42/23) die bisherige ständige Rechtsprechung des BFH, wonach eine ordnungsgemäße Klageerhebung die Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift erfordert. 

Zwar muss nach dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO die Klage „den Kläger“ bezeichnen. Die Anschrift wird im Gesetz nicht genannt. Als ungeschriebenes Erfordernis verlangt die Rechtsprechung dennoch die Angabe des tatsächlichen Wohnorts. 

Die Angabe ist auch nicht entbehrlich, weil der Kläger einen Bevollmächtigten bestellt hat (BRANDIS in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 65 AO Rz. 7 [Okt. 2020]). 

Ein Verstoß gegen das Erfordernis der Anschrift bedingt nicht automatisch die Unzulässigkeit der Klage. Vielmehr hat der Vorsitzende des Finanzgerichts den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. 

 

2. Praktische Relevanz für Ausnahmetatbestände; Vollstreckungsvereitelung

Praktische Relevanz kommt der Entscheidung nicht für den Normalfall, sondern für die dort erwähnten Ausnahmen zu. Die Annahme des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals soll dem Rechtssuchenden den Zugang zu den Gerichten nicht unnötig erschweren oder versagen und ist unter der in Art. 19 Abs. 4 GG statuierten Rechtsweggarantie einzuschränken. 

So ist das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift etwa dann unschädlich, wenn der Kläger sich bei Nennung der Anschrift der konkreten Gefahr einer Verhaftung aufgrund eines Haftbefehls aussetzt (BFH vom 7.12.2007 VII S 17/07, BFH/NV 2008, 589). In diesem Fall war die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten möglich. 

Wird hingegen die Angabe der Anschrift verweigert, um einer Vollstreckung der Steuerschulden zu entgehen, ist dieses Bestreben nach herrschender Auffassung in der Regel nicht schutzwürdig (vgl. FG Köln vom 1.4.2004 15 K 2970/03, EFG 2004, 1237; BRANDIS in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 65 FGO Rz. 7 [Okt. 2020]). Abweichend hiervon kommt es nach vorzugswürdiger Wertung auf den Einzelfall an. Das tragende Argument der Gegenauffassung, das Gericht müsse das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen (§ 80 Abs. 1 FGO) und dessen Mitwirkung gegebenenfalls durch die Androhung und Festsetzung von Ordnungshaft durchsetzen können, genügt nicht, den Grundsatz des Art. 19 Abs. 4 GG auszuhebeln. In einem solchen Fall stünde dem Gericht die Möglichkeit zu, im Fall der Ausübung des Ermessens die ladungsfähige Anschrift und damit die nur als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 65 Abs. 1 FGO notwendige Spezifizierung des Klägers später einzufordern (§ 65 Abs. 2 AO). 

 

3. Praxishinweis

Oftmals entscheidet sich der Empfänger der Einspruchsentscheidung erst kurz vor Ablauf der einmonatigen Frist zur Klage. Grund ist ua. das Kostenrecht. Die Gerichtskosten fallen – anders als vor vielen Jahren – leider auch dann an, wenn die Klage alsbald zurückgenommen wird. Viel Zeit zur Prüfung der Erfolgsaussichten und Entscheidungsfindung verbleibt bei komplizierten Sachverhalten und Rechtsfragen nicht. Die für die Einreichung notwendigen Informationen sollten möglichst vor dem Zugang der Einspruchsentscheidung gut vorbereitet werden. Dazu gehört auch die ladungsfähige Anschrift. Im Zweifel kann diejenige verwendet werden, die das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung aufführt. Zwar müssen Änderungen nicht nur im Einspruchsverfahren, sondern auch im Klageverfahren mitgeteilt werden (vgl. BRANDIS in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 65 FGO Rz. 7 [Okt. 2020]). Fehler können im Klageverfahren nachgebessert werden.

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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